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Gedanken zum 7. Sonntag der Osterzeit  24. Mai 2020

 Liebe Schwestern und Brüder,

im heutigen Abschnitt aus der Apostelgeschichte hören wir, dass die Jünger und Jüngerinnen sich zum Gebet versammelt haben. Auch wir möchten gerne in Gemeinschaft beten und Gottesdienst feiern – hoffentlich ist es bald wieder so weit! Nach dem 25. Mai wird es wohl wieder neue Informationen aus Magdeburg geben. Ein Brief unseres Bischofs ist unter der home page des Bistums nachzulesen.

Da es aber an diesem Sonntag noch nicht geht, wollen wir uns in Geduld üben und vielleicht auch mal darüber nachdenken, welche Bedeutung Stille und Gebet im ganz normalen Alltag haben.

Im folgenden sollen uns ein paar Gedanken zum Sonntag und für die Woche begleiten:

 Am Sonntag feiert unser Pfarrer wieder für die Gemeinde die hl. Messe um 10.00 Uhr. Auch die Kirche ist in der Regel zum stillen, persönlichen Gebet geöffnet.

Kyrie

Herr, ich möchte beten, doch wie oft sind mir alle möglichen anderen Dinge wichtiger.

Herr, erbarme dich.

Herr, ich möchte beten, doch wie oft finde ich keine Ruhe, weil so vieles mich beschäftigt und mir durch den Kopf geht.

Christus, erbarme dich.

Herr, ich möchte beten, doch wie oft bin ich zu wenig aufmerksam, um das zu hören, was du mir sagen willst.

Herr, erbarme dich.

Gott, nimm alles von mir, was mich hindert, zu dir zu finden und deine Gemeinschaft zu spüren. Lass mich nicht gefangen sein in Schuld und Unvermögen, in Abhängigkeiten und Zwängen. Sei du der Vergebende, der mich zum erfüllten Leben führt. Amen.

 

Lesung vom 7. Ostersonntag

Apg 1, 12-14

Als Jesus in den Himmel aufgenommen war, kehrten die Apostel vom Ölberg, der nur einen Sabbatweg von Jerusalem entfernt ist, nach Jerusalem zurück. Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben:

Petrus und Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon, der Zelót, sowie Judas, der Sohn des Jakobus.

Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern.

Wort des lebendigen Gottes

Predigt

Im letzten Jahrhundert lebte in Dänemark der Philosoph Sören Kierkegaard. Im Mittelpunkt seiner Philosophie steht die Überzeugung, dass der Mensch von Gott dazu aufgefordert und berufen ist, selbständig Entscheidungen zu treffen, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. In einem Bild beschreibt er kritisch die Christen und ihren Sonntagsgottesdienst: Sie sind wie Gänse, die auf einem Hof leben. Sie haben zwar Flügel, aber sie fliegen nicht. Sie laufen immer nur am Boden herum. An jedem siebten Tag treffen sie sich. Ein Gänserich schnattert seine Predigt und spricht über die hohe Berufung der Gänse,nämlich dass sie Flügel haben und fliegen können. Er erzählt von den Taten der Vorfahren, die

einst zu fliegen wagten, und preist die Barmherzigkeit Gottes, der den Gänsen das Fliegen schenkte. Die Gänse sind tief gerührt, senken in Ergriffenheit die Köpfe und loben die Predigt. Dann watscheln sie wieder heim, zum Mittagsmahl. Was sie jedoch nicht tun, ist: fliegen. Warum auch, denn das Korn, das sie am Boden finden, ist ja gut, und der Hof ist sicher.

Der Vorwurf, der hinter diesem Bild steckt, lautet: Im Gottesdienst reden die Christen zwar über die frohe Botschaft Jesu, sie preisen Gott dafür, dass er die Menschen liebt, sie reden von Nächstenliebe und einer besseren, menschlicheren Welt. Aber in ihrem Leben, in ihrem täglichen Verhalten zeigt sich dieser Glaube nicht, es ändert sich nichts. Glaube und Gottesdienst werden nicht fruchtbar im Leben, genausowenig wie die Flügel für die Gänse fruchtbar werden. Es geht um den Vorwurf des reinen „Sonntagschristentums“, das nichts mit dem Alltag zu tun hat, ein Vorwurf, der ja auch heute häufig zu hören ist. Ich meine, wir sollten diesen Vorwurf ernst nehmen, und es lohnt sich, einmal genauer darüber nachzudenken: Wie steht es bei mir persönlich mit dem Zusammenhang von Gebet und Gottesdienst einerseits und täglichem Leben andererseits?

Schauen wir zunächst einmal auf die Jünger und Jüngerinnen Jesu, von denen die heutige Lesung berichtet. Zunächst hat es den Anschein, der Vorwurf würde auch auf sie zutreffen: Anstatt mutig unter die Leute zu gehen und die Botschaft Jesu zu verkünden, bleiben sie im „Obergemach“ eines Hauses in Jerusalem, also zurückgezogen von allem sonstigen Leben der Stadt, um dort gemeinsam zu beten. Haben also selbst sie es nicht gewagt, ihre Flügel zu benutzen und zu fliegen, so wie Jesus es ihnen vorgelebt hat? Ein Blick auf ihr weiteres Leben zeigt jedoch das Gegenteil: Nun bekennen sie ohne Furcht vor Verfolgung und Bestrafung mutig ihren Glauben. Gegen alle Widerstände verkünden sie die Botschaft Jesu, die Botschaft, dass Gott jeden Menschen liebt, dass er jedem Umkehr und Neuanfang ermöglichen will, die Botschaft von einem anderen, einem menschlicheren Umgang miteinander, die Botschaft vom angebrochenen Reich Gottes. Von dieser Botschaft waren sie so fasziniert, dass sie sie anderen Menschen weitergeben wollten. Und keiner konnte sie dabei aufhalten. Sie sind geflogen, haben nicht das Leben am Boden gewählt. Das wäre vielleicht ein einfacheres und bequemeres Leben gewesen, aber nicht ein erfüllteres Leben. Hätten sie es nicht gewagt zu fliegen, dann hätten sich andere Menschen ihnen nicht anschließen können und dann wüßten wir heute nichts von Jesus und seiner Botschaft. Sie sind geflogen und haben dabei Schwierigkeiten und Leiden ertragen, ja sogar ihr Leben riskiert. Wie kamen sie dazu? Woher hatten sie die Kraft und den Mut? Woher wußten sie, welcher Weg für sie der richtige war?

Ich glaube, die Zeit des Zurückgezogenseins, die Zeit des gemeinsamen Gebetes, hat dabei eine große Rolle gespielt. Hier haben sich sehr wichtige Dinge ereignet: Erstens haben die Jünger erkannt, was für sie richtig und wichtig ist zu tun. In der Stille und im Gebet sind sie in irgendeiner Form dem auferstandenen Jesus Christus begegnet und

erkannten dabei den für sie richtigen Weg. Zweitens wurde ihnen Mut und Kraft für diesen ihren Weg geschenkt. Sie wurden von Gott „begeistert“, ein Ereignis, das wir mit dem Pfingstfest feiern. Drittens haben sie ihre gegenseitige Gemeinschaft in einer neuen, vertieften Weise erlebt: Sie alle, die Männer und Frauen, die eng mit Jesus verbunden waren, „verharrten dort einmütig im Gebet“, wie es in der Apostelgeschichte heißt. Das bedeutet sicher nicht, daß alle Spannungen und Schwierigkeiten, die überall auftreten, wo Menschen zusamınen sind, plötzlich verschwunden waren. Aber trotzdem erlebten sie gerade im Gebet eine Form von Gemeinschaft, eine Einmütigkeit, die ihnen Halt und Kraft, Zuversicht und Vertrauen gab. Sie spürten die Gewißheit, dass sie nicht alleine auf dem Weg sind.

Es hatte also durchaus seinen tiefen Sinn, wenn sich die Jünger und Jüngerinnen nicht sofort nach ]esu Auferstehung und Himmelfahrt in die Tätigkeit des Missionierens stürzten. Vor dem Tun, vor den Aktivitäten gönnten sie sich zunächst eine Zeit der Stille, eine Zeit der Stille vor Gott und der gemeinsamen Stille miteinander.

Wie steht es nun aber mit uns? Sicherlich unterscheiden sich unser Leben und unsere Aufgaben sehr von denen der Jünger. Aber dennoch haben auch wir den Auftrag, die Botschaft Jesu zu bekunden. Das kann z.B. dadurch geschehen, daß ich nicht wegsehe, wenn jemand ungerecht behandelt, verlacht oder zu Unrecht verdächtigt wird. Das kann in meinem Verhalten gegenüber den Menschen geschehen, denen ich Tag für Tag begegne: meiner Familie, meinen Arbeitskollegen, den Menschen, die vor mir in der Warteschlange stehen, dem Autofahrer, der vor mir zu langsam fährt, dem Stehplatznachbar im überfüllten Bus ... Jesu Botschaft bekunden bedeutet aber auch, sich für die Menschen einzusetzen, die schwach sind und meist zu kurz kommen. Dies kann im persönlichen Lebensumfeld geschehen, aber auch in politischem Engagement für Menschen in unserem oder in fremden Ländern. Ein Blick auf unsere Welt zeigt: Sie hat mehr Menschlichkeit und Liebe bitter nötig. Sie hat die christliche Botschaft nötig. Sie hat Christen nötig, die mutig ihre Flügel aufspannen und fliegen.

Jesu Botschaft bekunden ist jedoch oft nicht der einfachste und bequemste Weg. Oft ist es nötig, gegen den Strom zu schwimmen, sich angreifbar zu machen, auch mal den Kürzeren zu ziehen. Und wir wären damit sicher weit überfordert, wenn wir uns nicht auch - wie die Jünger - immer wieder Zeiten der Stille, des persönlichen Gebetes, der Meditation und des gemeinsamen Gottesdienstes gönnen dürften; nicht weil dies irgend jemand von uns verlangt, sondern weil sie unser Leben bereichern, weil sie zu einem erfüllten Leben dazugehören. Beten besteht dabei nicht nur darin, lange Gebete aufzusagen. Beten heißt auch, sich und sein Leben, all seine Erlebnisse, Freuden, Sorgen und Probleme vor Gott zu bringen, seine Entscheidungen nicht alleine zu treffen, sondern vor Gott zu bedenken. Beten kann darin bestehen, einfach eine Zeitlang still vor Gott zu sein, hinzuhören, was Gott mir sagen möchte, offen und aufnahmebereit sein, ohne mich von allen möglichen Dingen, die sonst meinen Alltag bestimmen, ablenken und vereinnahmen zu lassen. Hier kann ich all das vor Gott bringen, was schiefgelaufen ist. Ich kann sagen: „Gott, ich merke, dass ich eigentlich anders hätte handeln müssen, lass es mich von neuem probieren, und hilf mir bitte dabei!“ Hier kann ich Gottes Zusage spüren: „Ich bin bei dir und begleite dich bei deinen täglichen Aufgaben und Problemen!“ Hier kann ich Kraft und Mut geschenkt bekommen. Hier kann ich Gemeinschaft erleben und Anregungen und Hilfen für mein Leben erhalten. Dann sind Gebet und Gottesdienst nicht mehr etwas Weltfremdes und Abgehobenes, das ich sofort vergesse, wenn ich die Kirche wieder verlassen habe, sondern etwas, das mit meinem Leben zu tun hat, das mich nicht nur sonntags, sondem auch während der Woche begleitet. Dann sind Gebet und Gottesdienst nicht etwas, das ich pflichtmäßig erfülle, sondern etwas, das mir wertvoll ist, weil es mir hilft, meine Flügel auszubreiten und zu fliegen, weil  es mir hilft, ganz Christ zu sein, ganz Mensch zu sein.

Wolfgang Scharl  in Wortgottesdienste f.d. Sonntage und Hochfeste Grünewald Verlag

In der Pfingstnovene, den Tagen bis zum Pfingstfest, wollen wir in den Fürbitten um Gottes Geist bitten, dass er uns als Beistand zur Seite steht.

Der Herr begleite uns auf unserem Weg in die kommenden Tage. Er sei uns besonders nahe im Zeichen des Kreuzes damit wir gesegnet seien im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche.

 

Bleiben Sie gesund!                                  

Ihr Diakon N. Malina

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